EZB Leitzinsen Entwicklung

Wir beobachten, dokumentieren und analysieren für Sie die Leitzinsen.

  • aktuelle Leitzinsen Entwicklung
  • historische Leitzinsen Entwicklung seit 1999
  • Leitzinsen Prognose 2025
Entwicklung der Leitzinsen

Vorwort: Aktuelles Zinsumfeld

Die Leitzinsen der Europäischen Zentralbank befinden sich derzeit in einem kurz- bis mittelfristigen Abwärtstrend. Vorausgegangen war ein langjähriges Niedrigzinsniveau (2012 bis 2021), auf das ab dem Jahr 2022 ein rascher Wiederanstieg der Leitzinsen folgte. Ziel der damaligen Leitzinserhöhungen durch die Notenbank war die Eindämmung der Inflation, die ein historisch hohes Niveau erreicht hatte.

Nachdem die Inflationsrate wie angestrebt deutlich zurückgegangen war, senkte die EZB ihre Leitzinsen erstmals wieder im Juni 2024. Auch vor dem Hintergrund einer sich verschlechternden Wirtschaftslage. Weitere Zinssenkungen beschloss der EZB-Rat im September und im Oktober 2024, sowie im Januar 2025.

Wir informieren Sie über die aktuellen Leitzinsen der Europäischen Zentralbank, gehen den Ursachen von Leitzins-Veränderungen nach und wagen eine Zinsprognose für die Zukunft.

1. Die aktuellen Leitzinsen der Europäischen Zentralbank

Angesichts sinkender Inflation reduzierte die EZB ihre Leitzinsen zuletzt am 30. Januar 2025 (mit Wirkung vom 5. Februar 2025). Das war bereits die vierte Zinssenkung in Folge seit Juni 2024.

  1. Der wichtigste Leitzins der EZB ist der „Zinssatz für Hauptrefinanzierungsgeschäft“, zu dem sich Finanzinstitute Geld bei der Zentralbank leihen können. Dieser Zinssatz wurde (von bislang 3,40 Prozent) auf 2,90 Prozent gesenkt.
  2. Der „Zinssatz für die Spitzenrefinanzierungsfazilität“, für den sich Kreditinstitute Liquidität für jeweils einen Geschäftstag beschaffen können, wurde (von 3,65 Prozent) auf 3,15 Prozent reduziert.
  3. Für ihre bei der EZB unterhaltenen Einlagen („Einlagenfazilität“) erhalten Banken ab dem 5. Februar 2025 nur noch 2,75 Prozent (zuvor 3,25 Prozent). Damit liegt der Einlagenzinssatz bereits 1,25 Prozentpunkte unterhalb des bis Anfang Juni 2024 geltenden Höchststandes von 4,0 Prozent.

Die nächsten Sitzungen des EZB-Rats, bei denen über Geldpolitik und Leitzinsen entschieden wird, finden am 6. März 2025, am 17. April 2025 und am 05. Juni 2025 statt.

2. Rückblick: die langfristige Entwicklung der Leitzinsen

Wer die Leitzins-Entwicklungen der Vergangenheit nachvollzieht, für den ist eine persönliche Einschätzung zukünftiger Zinsentwicklungen eher möglich.

Der Übergang von der Deutschen Bundesbank zur Europäischen Zentralbank

Bis Ende 1998 war der Diskontsatz der Deutschen Bundesbank der wichtigste Leitzins in Deutschland.

Anfang 1999 begann nach langer Vorbereitungszeit die abschließende dritte Stufe der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion.

  • Der Euro wurde gemeinsame Währung für zunächst elf Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Nach mehreren Erweiterungen umfasst die „Eurozone“ seit Anfang 2023 20 der insgesamt 27 EU-Staaten.
  • Die Verantwortung für die Geldpolitik ging von den nationalen Notenbanken (in Deutschland: von der Deutschen Bundesbank) auf die Europäische Zentralbank über. Die Deutsche Bundesbank trat ihre Kompetenzen in der Geldpolitik an die EZB ab.
  • Der Zinssatz für die Hauptrefinanzierungsgeschäfte der EZB löste den Diskontsatz der Deutschen Bundesbank als den in Deutschland bis dahin wichtigsten Leitzins ab.

Den langfristigen Zinstrend verstehen: die Entwicklung der Leitzinsen in den letzten 30 Jahren

Die Zinsentwicklung der letzten dreißig Jahre ist von wellenartigen Schwankungen gekennzeichnet. Jeder der Zinszyklen umfasste mehrere Jahre.

  • Die Notenbank hob die Leitzinsen an, wenn sie die Geldwertstabilität durch eine zu hohe Inflation bedroht sah.
  • In Zeiten einer geringen Inflationsrate, die oft mit einer schwächeren Wirtschaftsentwicklung einherging, senkte hingegen die Bundesbank (beziehungsweise ab 1999 die EZB) die Leitzinsen, um die Wirtschaftsentwicklung zu unterstützen.

Die Leitzinsen sind seit 1990 – unter Schwankungen – bis einschließlich 2022 kontinuierlich zurückgegangen. Eine besonders ausgeprägte Niedrigzinsphase entwickelte sich zwischen 2011 und 2022, als die Leitzinsen ein zuvor kaum vorstellbares, extrem niedriges Niveau erreichten.

Erst durch extrem starken Inflationsdruck wurde die Zentralbank ab Mitte 2022 dazu gezwungen, die Leitzinssätze kräftig zu erhöhen. Nach dem Rückgang der Geldentwertung sieht die EZB seit Mitte 2023 wieder Spielräume für Zinssenkungen.

Die Leitzinsen in der Eurozone: jahrzehntelanger Abwärtstrend seit 2023 zunächst unterbrochen

Die nachfolgende Chronologie der Zinsentwicklung bezieht sich auf folgende Zinssätze:

Deutsche Bundesbank bis Ende 1998:
  1. Diskontsatz
Europäische Zentralbank ab Anfang 1999:
  1. „Zinssatz für die Hauptrefinanzierungsgeschäfte“ („HR“) und
  2. „Einlagenfazilität“ („EF“)

Zinszyklus 1988 bis 1999

Ausgangspunkt unserer Betrachtung ist das Zinstief von Juli 1988 (Diskontsatz 3,00 Prozent):

  • Anschließend stiegen die Leitzinsen bis Januar 1993 (Zinshoch bei einem Diskontsatz von 8,75 Prozent),
  • worauf eine Abwärtsbewegung bis Dezember 1998 (Tiefpunkt Diskontsatz: 2,50 Prozent) folgte,
  • sowie nach Übergang von der Deutschen Bundesbank zur Europäischen Zentralbank bis April 1999 (Zinstief: HR 2,50 Prozent und EF 1,50 Prozent).

Zinszyklus 1999 bis 2005

  • Aufwärtsbewegung bis April 2001 (Zinshoch: HR 4,75 Prozent; EF 3,75 Prozent)
  • anschließende Abwärtsbewegung bis November 2005 (Zinstief: HR 2,00 Prozent; EF 1,00 Prozent)

Zinszyklus 2005 bis 2011

  • Aufwärtsbewegung bis September 2008 (Zinshoch: HR 4,25 Prozent, EF 3,25 Prozent)
  • anschließende Abwärtsbewegung bis März 2011 (Zinstief: HR 1,00 Prozent; EF 0,25 Prozent)

Zinszyklus ab 2011

  • nur kurze Aufwärtsbewegung bis Oktober 2011 (Zinshoch: HR 1,50 Prozent; EF 0,75 Prozent), anschließende Abwärtsbewegung
  • ab Juli 2012: HR 0,75 Prozent; EF: 0,00 Prozent
  • ab Juni 2014: HR 0,15 Prozent; EF: -0,10 Prozent (erstmals negative Zinsen für Bankeneinlagen bei der Europäischen Zentralbank)
  • seit März 2016 historisches Zinstief (HR 0,00 Prozent; EF -0,50 Prozent)

Zinszyklus ab 2022 bis 2023 (Zinserhöhungen zur Bekämpfung der Inflation)

  • Juli 2022: HR 0,50 Prozent; EF: 0,00 Prozent
  • September 2022: HR 1,25 Prozent; EF: 0,75 Prozent
  • November 2022: HR 2,00 Prozent; EF: 1,50 Prozent
  • Dezember 2022: HR 2,50 Prozent; EF: 2,00 Prozent
  • Februar 2023: HR 3,00 Prozent; EF: 2,50 Prozent
  • März 2023: HR 3,50 Prozent; EF: 3,00 Prozent
  • Mai 2023: HR 3,75 Prozent; EF: 3,25 Prozent
  • Juni 2023: HR 4,00 Prozent; EF: 3,50 Prozent
  • August 2023: HR 4,25 Prozent; EF: 3,75 Prozent
  • September 2023: HR 4,50 Prozent; EF: 4,00 Prozent

Zinszyklus ab Juni 2024 (Zinssenkungen nach erfolgtem Inflationsrückgang)

  • Juni 2024: HR 4,25 Prozent; EF 3,75 Prozent
  • September 2024: HR 3,65 Prozent; EF 3,50 Prozent
  • Oktober 2024: HR 3,40 Prozent; EF 3,25 Prozent
  • Februar 2025: HR 2,90 Prozent; EF 2,75 Prozent

3. Leitzinsen Entwicklung: Ursachen, Hintergründe, Auswirkungen

Die Niedrigzinspolitik der Zentralbanken zwischen 2008 und 2022

Die Jahre 2008 bis 2021 / 2022 waren weltweit durch extreme Niedrigzinsen geprägt. In der Eurozone senkte die Europäische Zentralbank ihren wichtigsten Leitzins auf 0,00 Prozent. Banken mussten zeitweise bis zu 0,5 Prozent Negativzinsen für bei der EZB hinterlegte Guthaben entrichten. Diese Kosten gaben die Kreditinstitute teilweise in Form von „Verwahrentgelten“ an ihre Einlagenkunden weiter. Dagegen profitierten Kreditkunden von historisch niedrigen Darlehenszinsen.

Ursache der extrem niedrigen Zinsen war die Geld- und Zinspolitik der Zentralbanken. Insbesondere die US-amerikanische Federal Reserve und die Europäische Zentralbank verhinderten eine marktgerechte Verzinsung von Kapital.

Schwere Krisen verlängerten die Niedrigzinsphase: Weltfinanzkrise, Eurokrise, Schuldenkrise, Coronakrise

Auslöser der Niedrigzinspolitik war die Weltfinanzkrise, die mit dem Zusammenbruch der US-Bank Lehman Brothers im September 2008 ihren Anfang nahm.

Aber auch nach erfolgreicher Bewältigung der Bankenkrise behielten die Notenbanken ihre Niedrigstzinspolitik aus verschiedensten Gründen bei:

  • Ab 2010 führte die Eurokrise dazu, dass die EZB an niedrigen Leitzinsen und an einer expansiven Geldpolitik festhielt. Das Ziel war es, die Märkte zu beruhigen und den Euro zu stabilisieren.
  • Mit Rücksicht auf hoch verschuldete Staaten, sah sich die EZB auch in den Folgejahren zu niedrigen Zinsen verpflichtet. Länder wie Griechenland oder Italien wären bei höheren Zinsen kaum mehr in der Lage gewesen, ihre Schulden zu bedienen. Die Möglichkeit eines Staatsbankrotts hätte leicht zu einer verschärften Eurokrise und womöglich zum Auseinanderbrechen des Euroraums führen können.
  • Hinzu kamen konjunkturelle Schwächen in Teilen des Euroraums. Um die Volkswirtschaft im Euroraum zu stützen, stellte die EZB dem Markt nochmals zusätzliches Geld zur Verfügung. Dies geschah auch mittels gewaltiger Wertpapier-Ankaufprogramme, mit denen die Notenbank viele hundert Milliarden Euro in den Geldmarkt pumpte. Trotz teils heftiger Kritik von Politikern und Ökonomen an den „Nebenwirkungen“ dauerhaft niedriger Zinsen.
  • Ab 2018 wurde die Weltwirtschaft durch globale Handelsstreitigkeiten, vorwiegend zwischen den USA und China geschwächt. Die Prognosen für das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts mussten daraufhin bis Ende 2019 mehrfach reduziert werden.
  • Im November 2019 folgte Christine Lagarde als Präsidentin der Europäischen Zentralbank ihrem Vorgänger Mario Draghi nach. Bei ihrem Amtsantritt hatte sie eine umfassende Überprüfung der bisherigen EZB-Strategie bis Ende 2020 angekündigt, die auch die häufig kritisierten Nebenwirkungen der Niedrigzinspolitik einbeziehen sollte.
  • Die expansive Geldpolitikpolitik der EZB verfestigte sich aber schließlich unter dem Vorzeichen der wirtschaftlichen Auswirkungen der Ende 2019 ausgebrochenen Corona-Pandemie. Die EZB sah sich zwecks Stützung der angeschlagenen europäischen Wirtschaft genötigt, ihre Niedrigzinspolitik fortzuschreiben und ihre Anleihenkäufe auszuweiten.

EZB: niedrige Leitzinsen aus Angst vor einer Deflation

Jahrelang verzeichneten die Länder der Eurozone eine niedrige und tendenziell sogar weiter fallende Inflationsrate. Im Zeitraum von 2014 bis 2020 lag die jährliche Geldentwertung im Euroraum zwischen minimal 0,24 Prozent (2016) beziehungsweise 0,25 Prozent (2020) und maximal 1,74 Prozent (2018).

Angesichts dieser über viele Jahre sehr geringen Inflation befürchtete die EZB ein Abrutschen der Volkswirtschaft in eine Deflation. Eine Deflation ist das Gegenteil einer Inflation und bedeutet kontinuierlich sinkende Preise.

Die Gefahren einer Deflation

Hat sich eine Deflation erst einmal etabliert, dann erwarten Verbraucher und Unternehmen, dass sie Wirtschaftsgüter in Zukunft günstiger erwerben können. Bei fallenden Preisen werden die Marktteilnehmer deshalb ihre Kauf- und Investitionsentscheidungen in die Zukunft verschieben. Dies aber führt zwangsläufig zu einer sinkenden Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen und möglicherweise zu einer dauerhaften Rezession. Hat sich eine Deflation erst einmal verfestigt, so fällt die Rückkehr auf einen volkswirtschaftlichen Wachstumspfad besonders schwer.

Der Kampf der EZB gegen eine befürchtete Deflation

Um einen ausreichenden „Sicherheitsabstand“ zu einer deflationären Geldwert-Entwicklung sicherzustellen, strebte die EZB eine Inflation von „unter, aber nahe von 2 Prozent“ an. Niedrige Zinsen und eine Ausweitung der Geldmenge waren von zentraler Bedeutung, um die bei Deflation zu befürchtende Abwärtsspirale der Wirtschaft abzuwenden.

Zwischen März 2015 und Juli 2022 erwarb die EZB über verschiedene Ankaufprogramme monatlich milliardenschwere Wertpapier-Volumina. Ende des Jahres 2021 hatte sich das von der EZB „zu geldpolitischen Zwecken“ gehaltene Wertpapier-Volumen auf 445,4 Milliarden Euro erhöht. Davon entfielen 110,8 Milliarden Euro allein auf Zukäufe aus 2021.

„Zinswende nach oben“ 2021 bis 2023: sprunghaft ansteigende Inflation löste ein Umdenken der Notenbanken aus

Nachdem jedoch die Inflation ab Ende 2021 sprunghaft angestiegen war, sahen sich auch die Notenbanken weltweit dazu genötigt, ihre Leitzinsen zu erhöhen.

Die US-Notenbank startete mit ihrer „Zinswende“ bereits im März 2022. Die EZB wartete noch bis Juli 2022, bevor auch sie mit einer Erhöhung ihrer Leitzinsen begann.

Die Inflation (HVPI) erreichte im Euroraum im Oktober 2022 mit 10,6 Prozent ihren Höchststand. Die Bandbreite innerhalb der Eurozone erstreckte sich dabei von 7,1 Prozent (Frankreich) bis 22,5 Prozent (Estland). In Deutschland markierte die Inflationsrate im Oktober 2022 bei 11,6 Prozent ihren Maximalwert (Berechnung auf HVPI-Basis). Damit verzeichnete Deutschland die höchste Inflationsrate seit Einführung der Deutschen Mark im Jahr 1948.

Angesichts der dramatischen Inflationsentwicklung erhöhte die EZB zwischen Juli 2022 und September 2023 ihre Leitzinsen in zehn Zinsschritten drastisch: den Hauptrefinanzierungssatz von 0,50 Prozent auf 4,50 Prozent und den Einlagenzinssatz von 0,00 Prozent auf 4,00 Prozent.

Die schnelle und massive Erhöhung der EZB-Leitzinsen hatte erhebliche Auswirkungen:

a.) Verringerung der Inflationsrate

Nachdem die Inflationsrate in Deutschland von 3,1 Prozent (2021) auf 6,9 Prozent (2022) angestiegen war, trugen die höheren Leitzinsen maßgeblich zu einem ersten Rückgang der Geldentwertung für das Gesamtjahr 2023 auf 5,9 Prozent bei. Dabei fiel die Inflation im Jahresverlauf 2023 kontinuierlich: während die Preise im Januar 2023 noch 8,7 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat gestiegen waren, wurde im Dezember 2023 „nur noch“ eine Inflation von 3,7 Prozent gemessen.

Unterstützt von auch in 2024 immer noch vergleichsweise hohen Zinsen, verbesserte sich die Geldwertstabilität weiter: Die Inflationsrate, die im Januar 2024 bei 2,9 Prozent gelegen hatte, ging bis September 2024 auf 1,6 Prozent zurück (Stand: Oktober 2024).

b.) Abschwächung des Wirtschaftswachstums

Höhere Zinsen bewirken allerdings regelmäßig eine Abschwächung der Nachfrage von Haushalten und Unternehmen. Im Jahr 2023 glitt die deutsche Wirtschaft in eine leichte Rezession ab: die Wirtschaftsleistung (gemessen am Bruttoinlandsprodukt) ging in 2023 gegenüber dem Vorjahr um 0,3 Prozent zurück (zum Vergleich 2022: + 1,8 Prozent, 2021: +3,2 Prozent).

Die Bundesregierung erwartet für Deutschland auch in 2024 eine um 0,2 Prozent schrumpfende Volkswirtschaft. Dabei verschlechtern sich offenbar die Wirtschaftsaussichten: im Frühjahr 2024 ging die Bundesregierung noch von einem leichten Wachstum von +0,3 Prozent aus.

c.) Höhere Zinskosten für Kredite

Als Folge der Leitzins-Erhöhungen stiegen auch die die Zinsen für Baufinanzierungen und andere Kredite. Während Bauzinsen mit 10-jähriger Zinsbindung Anfang 2022 noch zu einem Effektivzins von etwa 1,2 Prozent erhältlich waren, zahlten Kreditnehmer ein Jahr später ungefähr 3,4 Prozent, also etwa das Dreifache.

Das Zusammenwirken von hoher Inflation (einschließlich erhöhter Neubaukosten) und steigenden Kreditzinsen führte zu einer Abschwächung der Baukredit-Nachfrage. Das Baufinanzierungs-Neugeschäft ging in Deutschland vor dem Hintergrund hoher Zinsen erheblich zurück: von 280 Milliarden Euro (2022) auf ungefähr 220 bis 240 Milliarden Euro in 2023. Für das Gesamtjahr 2024 wird die Neuvergabe von Immobilienkrediten im Volumen von 200 bis 210 Milliarden Euro erwartet.

„Zinswende nach unten“ ab Juni 2024 (Zinssenkungen nach Inflationsrückgang)

Im Juni 2024 begann die Europäische Zentralbank mit einem ersten Zinssenkungsschritt. Zwei weitere Zinssenkungen folgten im September und Oktober 2024 (siehe oben).

Hintergrund der erneuten Zinswende war eine ihren Höchstständen gegenüber dem Jahr 2022 deutlich zurückgegangene Inflation. Gleichzeitig schwächte sich das Wirtschaftswachstum in der Eurozone ab.

a.) Die Wirtschaftslage im Euroraum entwickelt sich derzeit tendenziell schwach.

Für 2024 erwartet die EZB ein Wirtschaftswachstum von 0,8 Prozent, was einen leichten Anstieg gegenüber 2023 (0,6 Prozent) bedeutet. Die deutsche Wirtschaft, die sich seit 2023 in einer (leichten) Rezession befindet, muss dabei aus europäische Sicht wie ein „Bremsklotz“ wirken.

Für 2025 und 2026 prognostiziert die Europäische Zentralbank für den Euroraum ein Wachstum von 1,5 Prozent beziehungsweise 1,6 Prozent.

b.) Bei der Bekämpfung der Inflation erzielte die EZB deutliche Fortschritte.

Mit 1,8 Prozent sank die Euroraum-Inflation im September 2024 erstmals wieder seit mehreren Jahren unter 2 Prozent – die Zielmarke der EZB. Deutlich hartnäckiger erweist sich hingegen (mit einem Wert von 2,7 Prozent) die sogenannte Kerninflation, die ohne die schwankenden Lebensmittel- und Energie-Produkte ermittelt wird.

Zur Bedeutung der Energiepreise bei der Bewertung der aktuellen Inflationsrate

Im Dezember 2023 wurde – auf Jahressicht – ein Anstieg der Energiepreise (Haushaltsenergie und Kraftstoffe) von 4,1 Prozent gegenüber Dezember 2022 ermittelt. Ab Anfang 2024 fielen dann die Energiepreise gegenüber dem Vorjahr. Im September 2024 erreichte der Preisrückgang gegenüber dem Vorjahr mit -7,6 Prozent den bisherigen Tiefstpunkt.

Die Energiepreise machen sich also in der derzeit niedrigen Inflationsrate in Deutschland von „nur“ 1,6 Prozent (September 2024) deutlich bemerkbar. Dies zeigt sich in der wesentlich höheren „Kerninflation“ (2,7 Prozent), in der die volatilen Energiepreise nicht enthalten sind. Die hohe Kerninflation beruht unter anderem auf gestiegenen Preisen für Dienstleistungen, was vor allem auch auf erhebliche Lohn- und Gehaltssteigerungen zurückzuführen ist.

Noch also verdeckt der Energiepreis-Rückgang der Vergangenheit das sehr differenzierte Geschehen an der „Inflationsfront“. Fallen aber die hohen Energiepreise von 2023 aus der Inflationsberechnung heraus (nach jeweils 12 Monaten), dann wird eine deutlich höhere Inflationsrate sichtbar werden. Sollten die Energiepreise künftig sogar (wieder einmal) steigen, dann wird sich dies auf die Inflation überproportional stark auswirken.

Inwieweit ist es realistisch, dass die Energiepreise künftig wieder steigen?

Ein Wiederanstieg der Energiepreise ist nicht nur bei einem Wiederanziehen der Konjunktur realistisch, sondern zum Beispiel auch dann,

  • wenn sich die kriegerischen Auseinandersetzungen im ölreichen Nahen Osten oder auf einem der für den weltweiten Öl- und Gastransport wichtigen Schifffahrtsrouten ausweiten sollten oder
  • wenn es zu einer Ausweitung des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine kommt.

4. Leitzinsen Prognose 2025

Vorrangiges Ziel der Europäischen Zentralbank ist die Erhaltung der Geldwertstabilität. Die EZB wird sich aber immer auch bemühen, ihre Zinsentscheidungen mit der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung in Einklang zu bringen. Die EZB wird in Zeiten einer guten Wirtschaftslage eher ein höheres Zinsniveau und in Zeiten einer schwachen Konjunktur ein niedrigeres Zinsniveau anstreben.

Im Rahmen einer rückläufigen Inflation und einer eher schwachen Konjunkturlage geht die Mehrzahl der Beobachter davon aus, dass die EZB ihre Leitzinsen am 12. Dezember 2024 um weitere 0,25 Prozentpunkte senken wird.

Die meisten Ökonomen prognostizieren derzeit, dass der Einlagenzinssatz (2,75 Prozent im Februar 2025) zum Jahresende 2025 auf 2,25 Prozent bis 2,5 Prozent zurückgehen könnte. Dies würde einen Rückgang der Leitzinsen (bis Ende 2025) von 0,25 Prozent bis 0,5 Prozent bedeuten.

Fazit: leichter Rückgang der Leitzinsen bis Ende 2025 – vorbehaltlich besonderer Ereignisse

Ökonomen gehen davon aus, dass der EZB-Rat bis Ende 2025 weitere Leitzinssenkungen um 0,25 bis 0,5 Prozentpunkte beschließen.

Die weitere Entwicklung der Leitzinsen hängt aber von vielfältigen, heute nicht vorhersehbaren Faktoren ab. Zwei Szenarien erscheinen möglich:

Erstes Szenario: „keine besonderen Vorkommnisse“ - Zinsentwicklung gemäß heutiger Inflations- und Wachstums-Prognosen

In dem Fall erscheint ein weiterer begrenzter Rückgang der EZB-Leitzinsen bis Ende des Jahres 2025 realistisch.

Zweites Szenario: Eintreten gefährlicher geopolitischer Risiken

Erhebliche Unsicherheiten resultieren aus geopolitischen Risiken:

  • Einer Ausweitung des Nahost-Kriegs,
  • des Ukraine-Kriegs oder
  • einer möglichen kriegerischen Auseinandersetzung zwischen der Volksrepublik China und Taiwan.

Unvorhersehbar sind zudem Ergebnis und Folgen der US-Präsidentschaftswahlen am 5. November 2024. Gelingt dem Ex-Präsidenten Trump ein weiterer Wahlsieg? Und setzt er seine im Wahlkampf getätigten Ankündigungen um, dann droht mit umfassenden Einfuhrzöllen ein weltweiter gegenseitiger Handelsprotektionismus.

Eine Gefahr stellt auch die hohe Verschuldung vor allem vieler südeuropäischer Staaten sowie Frankreichs dar. Das gestiegene Zinsniveau belastet die hoch verschuldeten Länder besonders stark. Die Handlungsfähigkeit dieser Staaten ist bereits jetzt deutlich eingeschränkt, wie die aktuellen Diskussionen in Frankreich um den kommenden Staatshaushalt zeigen.

Gravierende Instabilität – aus welchem Grund auch immer - könnte die EZB zu einer beschleunigten Absenkung ihrer Leitzinsen veranlassen.

Steigt die Inflation jedoch wieder deutlich über das von ihr verfolgte Zwei-Prozent-Inflations-Ziel, dann wird die EZB zu einer Politik der Zinserhöhungen zurückkehren.

Über den Autor

Hartmut Zimmer

Hartmut Zimmer, Jurist und langjähriger Vertriebsdirektor einer deutschen Großbank, war u. a. zuständig für den Vertrieb von Baufinanzierungen und gewerblichen Krediten. Besonders intensiv befasste er sich mit den Risiken fehlerhaft konstruierter Baufinanzierungen anlässlich der Sanierung eines umfangreichen Kreditportfolios.

Hartmut Zimmer ist Autor zahlreicher Fachartikel zu Finanzprodukten und Wirtschaftsrecht.